ZEIT ONLINE: Der Chef macht ständig Fehler, reagiert aber ungehalten, wenn er darauf aufmerksam gemacht wird. Wie können Mitarbeiter dennoch Fehler thematisieren, Frau von Rundstedt?

Sophia von Rundstedt: Wichtig ist ein sachlicher und nüchterner Umgang mit Fehlern, der niemanden bloßstellt. Wir alle machen Fehler – kleine und große. Doch Vorwürfe lösen das Problem nicht. Hinzu kommt, dass Fehler im beruflichen Kontext oft gar nicht bei einer Person liegen. Vielmehr handelt es sich um eine Fehlerverkettung. Dann ist es wichtig, die Ursache zu finden.

Diese analytische Herangehensweise erleichtert es auch Mitarbeitern, vermeintliche Fehler ihres Chefs anzusprechen. Ich rate in diesen Fällen, von einem unbefriedigenden Ergebnis einer Entscheidung oder einem nicht optimalen Prozess her zu argumentieren. Denn wenn Mitarbeiter mit einer persönlichen Wahrnehmung und einem Verbesserungswunsch zum Chef gehen, verspüren diese weniger einen Rechtfertigungsdruck. Beispielsweise kann man dann sagen: "Mir ist aufgefallen, dass Maßnahme X nicht so erfolgreich war, wie wir geplant hatten. Was können wir tun, um dennoch das Ziel zu erreichen?" Mit der Argumentation auf der Sachebene vermeiden Mitarbeiter, dass sich der Chef persönlich angegriffen fühlt. Es wird vielmehr klar, dass es darum geht, die Situation zu verbessern und Fehler zukünftig zu vermeiden.

ZEIT ONLINE: Wie können Vorgesetzte eigene Fehler ansprechen, ohne einen Gesichtsverlust zu riskieren?

von Rundstedt: Eine entscheidende Rolle spielt hier die Feedbackkultur. Nicht nur Mitarbeiter brauchen eine Rückmeldung zu ihren Leistungen. Auch Führungskräfte benötigen Feedback – das schließt auch Verbesserungsvorschläge ein.

Die Praxis zeigt, das es hier noch einigen Nachholbedarf gibt. Unsere repräsentative Umfrage "Talents & Trends" zum Thema Feedback im Juni 2015 hat gezeigt, dass sich nur jede fünfte Führungskraft Rückmeldung zur eigenen Arbeit einholt. Meine Empfehlung an Vorgesetzte: Bitten Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig um Feedback. So wird konstruktives Feedback – auch zu Fehlern – Teil der Regelkommunikation und damit zur Normalität. Im Mittelpunkt sollten dabei immer die Fragen stehen: Wie bekommen wir das gemeinsam wieder hin? Wie können wir vermeiden, dass der Fehler erneut passiert? Und was können wir daraus lernen?

ZEIT ONLINE: Und wie können Mitarbeiter eigene Fehler ansprechen, obwohl ihr Chef ihnen keine Fehler zugesteht?

von Rundstedt: Mitarbeitern rate ich ebenso wie Vorgesetzten, um Feedback zu bitten. Auch in diesem Fall sollten Mitarbeiter das Gespräch mit einer persönlichen Wahrnehmung einleiten und den Wunsch äußern, eine Verbesserung der Situation herzustellen beziehungsweise den Fehler künftig zu vermeiden.